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  • AutorenbildDaniela Girg

Yoga Sutra und Neuropsychologie

Am letzten Wochenende bin ich, im Rahmen der Yogalehrerausbildung, ganz tief in die Yoga Sutras des Patanjali eingetaucht. Patanjali war ein indischer Gelehrter, der die Yoga Sutras verfasst haben soll. Das Wort Sutra bedeutet wörtlich übersetzt “Faden”. Das Yoga Sutra gilt als ein Leitfaden für Yoga. In 195 kurzen Sanskrit-Versen, wird der Yogaweg beschrieben. Sehr spannend fand ich beim ersten Lesen des Sutras, dass der Asana Praxis, also den Bewegungsübungen im Yoga, nur ein winzig kleiner Abschnitt gewidmet ist. Der Großteil der Verse widmet sich Yoga als Lebensphilosophie bzw. -leitfaden. Sehr fasziniert hat mich auch, dass ich in vielen Versen Rückschlüsse zu Erkenntnissen aus der Neuropsychologie ziehen konnte. Wenn man bedenkt, dass das Werk tausende Jahre alt ist, fand ich das sehr beeindruckend.

Im ersten Kapitel wird Yoga als das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist beschrieben. Es werden 5 Arten von Gedankenwellen beschrieben:

pramana – korrektes Wissen oder richtige Wahrnehmung

viparyaya – Irrtum oder falsche Wahrnehmung

vikalpa – Einbildung/Vorstellung

nidra – tiefer, traumloser Schlaf

smrtayah – Erinnerung

Wenn wir uns die Datenverarbeitungsprozesse, die in unserem Gehirn automatisch ablaufen, anschauen, finden wir oben beschriebene Gedankenwellen wieder. Im Stress ist viparaya und vikalpa im Vordergrund.

In unserem Gehirn laufen zur Bewertung einer Situation verschiedene Prozesse im limbischen System ab. Vereinfacht dargestellt werden im Thalamus (der größte Teil des Zwischenhirns) die von außen kommenden Informationen synchronisiert und eine Verbindung zu den Signalen des Körpers geknüpft. Zusätzlich werden dort die Informationen in wesentliche und unwesentliche gefiltert. Man könnte auch sagen in pramana – korrektes Wissen oder viparyaya – Irrtum.

Bei Verlassen des Thalamus werden die Informationen im limbischen System an die Amygdala weitergeleitet. Die Amygdala ist verantwortlich für die Analyse des Gefährdungspotentials der Außenreize – vergleichbar mit einem Feuermelder. Sie steuert die unwillkürlichen vegetativen Reaktionen und ist dafür verantwortlich, dass wir gestresst in innerer Anspannung verharren, zumindest so lange wie das Alarmsystem aktiv ist. Die Amygdala kann nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden. Ein Reiz genügt, damit die Amygdala sich erinnert, uns alarmiert und das bewährte Stressmuster aktiviert. Von dort gelangt der Datenstrom innerhalb des limbischen Systems weiter an den Hippocampus.

Dort werden die Erfahrungen in zeitlichen und räumlichen Zusammenhang eingeordnet – hier findet also die Verknüpfung der emotionalen Bewertung mit tatsächlich erlebten Situation statt. Im Hippocampus werden die Informationen ins Langzeit- oder Kurzzeitgedächtnis überführt. pramana (korrektes Wissen oder richtige Wahrnehmung) oder smrtayah (Erinnerung).

Positiver Stress regt die Datenverarbeitungsprozesse in unserem Gehirn an und sorgt dafür, dass wir lernen und uns weiter zu entwickeln. Bei negativem Stress, also nachhaltigem und unkontrollierbarem Stress wird der Körper mit Stresshormonen überflutet. Diese wirken nicht mehr anregend auf den Köper, sondern hemmend. Die vielen Informationen, die auf unser Gehirn einfluten können nicht mehr verarbeitet und eingeordnet werden. Unverarbeitete Daten bleiben liegen und bewirken, dass die Amygdala im Dauereinsatz versucht, das belastende Material los zu werden.

Nehmen wir an, wir haben, während uns etwas Belastendes zugestossen ist, den Geruch von Zitronen wahrgenommen. Wenn wir jetzt Zitronenduft wahrnehmen, läuft in unserem Gehirn der oben beschriebene Prozess ab. Die emotionale Bewertungseinheit „Amygdala“ kann zwischen Vergangenheit und Gegenwart nicht unterscheiden. Der Geruch von Zitronen heute kann Stressreaktionen auslösen, ohne dass wir wissen, was das dazu gehörende belastende Erlebnis ist.  Eine Erinnerung  (smrthaya) wird in dem Moment zu viparaya (Irrtum oder falsche Vorstellung).

Im nächsten Artikel möchte ich die automatisch ablaufenden Prozesse in unserem Gehirn zusammen mit unseren gelebten Beziehungserfahrungen anschauen. Diese ergeben die im Yoga Sutra beschriebenen Hindernisse bzw. Klesas auf dem Weg zu einem klaren und ruhigen Geist.

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