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  • AutorenbildDaniela Girg

Yoga bei Schmerzen

Yoga, wie es in vielen Studios unterrichtet wird und eigentlich in so ziemlich allen YouTube-Videos, ist für gesunde Körper gedacht. An dieser Tatsache ist nichts Schlimmes oder Verwerfliches dran, solange wir uns genau dessen bewusst sind. Das problematische an dieser Thematik ist aber, dass es den meisten eben nicht bewusst ist. Sie bekommen vom Arzt oder Physiotherapeuten gesagt, probiere doch mal Yoga gegen die Rückenschmerzen aus und gehen los ins nächste Studio oder noch schlimmer, beginnen mit irgendeinem YouTube Video. Nach einiger Zeit verschlimmern sich die Beschwerden und der Versuch wird als gescheitert abgehakt oder aber man macht weiter, weil irgendwann wird es ja sicher besser werden, haben ja alle gesagt, dass Yoga gut sein soll.


Erst vor Kurzem hatte ich eine Teilnehmerin in einer meiner Klassen, die danach zu mir kam und sagte, dass sie zum ersten Mal keine Schmerzen nach dem Yoga hatte und ganz verwundert darüber war, weil sie das so gar nicht kannte.


Warum ist es so wichtig, besonders achtsam mit Rückenschmerzen zu üben?

Ein gesunder Körper ist beweglich, kann Muskulatur aufbauen und Faszien und Gewebe entspannen. Wenn aber Beschwerden da sind z.B. in Form von Hüftproblemen, Knieschmerzen, Schulterbeschwerden oder gar Bandscheiben-Thematiken, wird es schwer Muskulatur an den richtigen Stellen aufzubauen und an den verspannten Stellen zu entspannen. Wenn Bewegungseinschränkungen vorhanden sind, ist immer auch zu viel Spannung im Körper. Der Körper versucht ja, die Einschränkung auszugleichen und wird deswegen an anderer Stelle fest. Wenn wir jetzt versuchen auf verhärtete Muskulatur, Muskeln aufzubauen, führt das zwangsläufig zu Schmerzen. Hast Du mal versucht einen zu heiß gewaschenen und damit verfilzten Wollpulli mit Gewalt wieder in seine Ursprungsform zu bekommen? Funktioniert nur so semi gut und ungefähr genauso gut funktioniert eine klassische Yogaklasse bei körperlichen Einschränkungen. Das Fasziengewebe kannst Du Dir aber genauso wie den verfilzten Wollpulli vorstellen, wenn Schmerzen im Körper vorhanden sind. Da hilft kein heftiges dran zerren, da braucht es eine sanfte Herangehensweise.


Welche Asanas sind ungünstig Schulter- oder Nackenschmerzen?

Der herabschauende Hund oder auch die Position des Kindes werden in den meisten Klassen als Ruhe- oder Ausgleichsposition unterrichtet. Dabei sind gerade diese beiden Positionen für schmerzende oder verspannte Rücken und vor allem Nacken gar keine so gute Idee. Ich kenne so viele Yogalehrer, die regelmäßig Probleme mit den Schultern haben, auch ich selbst hatte das lange Zeit, bis ich aufgehört habe Stützhaltungen in jeder Klasse zu unterrichten. Heute findest Du diese bei mir nur noch in fortgeschrittenen Klassen und auch da, nur sehr dosiert eingesetzt. Wir müssen den Körper und die Muskulatur entsprechend vorbereiten, um solche Haltungen schmerzfrei und sicher ausführen zu können.


Yoga - von der rein spirituellen Praxis zur Sportart

Auch wenn hier, in der westlichen Kultur, hauptsächlich Frauen in Yogastudios zu finden sind, war die Yogapraxis in Indien ursprünglich nur Männern erlaubt. Wenn wir einen Blick in die alten Yogaschriften werfen, stellen wir zusätzlich ziemlich schnell fest, dass der körperliche Aspekt des Yogas nur einen Teil des 8-gliedrigen Yogaweges ausmacht. „Yoga citta vritti nirodha“ bedeutet: Yoga ist das zur Ruhe bringen der Gedanken im Geist. Der Hauptteil der ursprünglichen Praxis bestand aus Meditations- und Atemtechniken. Die körperliche Praxis diente dazu den Körper auf die Meditation vorzubereiten. Heute wird es in den meisten Yogastudios genau umgedreht praktiziert - die Meditation zu Beginn und im Anschluss die körperliche Praxis.


Yoga wurde 1:1 mit dem Yogalehrer geübt. Die Praxis wurde individuell auf jeden Schüler abgestimmt und jeder Yogalehrer arbeitete nur mit wenigen Schülern zusammen, um den Weg intensiv begleiten zu können. Gruppenstunden wären undenkbar gewesen. Es ging darum den Schüler auf dem eigenen Weg zur Erleuchtung zu begleiten.


Die Yoga-Gruppenstunde wie wir sie heute kennen, ist so nirgends in den alten Schriften zu finden. Die Lehre des Yogas entwickelte sich über viele Jahrzehnte immer weiter. Neue Stile und Ausprägungen kamen hinzu. Manche fokussieren sich mehr auf das Spirituelle, andere legen den Fokus auf die Fitness.


Yoga bei chronischen Schmerzen

Der Yogamarkt boomt und immer wieder entstehen neue Yogaformen und -Ausprägungen. Was sich aber leider noch nicht verändert hat, ist das Yoga hauptsächlich im Gruppensetting angeboten wird. Gerade bei Schmerzpatienten, ist es allerdings soviel sinnvoller im 1:1 zu unterrichten. Hier können wir individuell die Beschwerden betrachten und eine Praxis entwickeln, die an den richtigen Stellen Muskulatur aufbaut und die verhärteten oder verklebten Stellen entspannt.


Zudem ist gerade bei Schmerzen, regelmäßige Meditation sehr häufig hilfreich. Wenn wir täglich mit Schmerzen umgehen müssen, beeinträchtigt dies unsere Lebensqualität. Der Fokus liegt oft auf dem Schmerz und wir beobachten genau, wie er sich anfühlt und wo er lokalisiert ist. Oft ist dies begleteitet von einem Gefühl der Hilflosigkeit, da alle Methoden, die bisher versucht wurden, nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. In der Meditation versuchen wir den Schmerz anzunehmen, so wie er sich gerade zeigt und nicht zu verändern.


Die meisten Menschen versuchen, den Schmerz zu analysieren, um ihn dann zu ignorieren. In der Meditation gehen wir den entgegengesetzten Weg. Anstatt sich in den üblichen Bewertungen und Reaktionen zu verlieren bringen wir uns in Kontakt mit dem gegenwärtigen Moment. Wir beobachten aufmerksam, wachsam und vor allem mit einem neutralen Blick. Wir bleiben vollkommen in diesem Moment und versuchen, die Gedanken nicht abschweifen zu lassen. Dies können wir im Sitzen oder Liegen praktizieren aber auch während einer Yin Yoga Stunde.


Yin Yoga in der Gruppe und doch individuell

Das was Yin Yoga für mich so besonders macht, ist die Tatsache, dass hier jeder die für seinen Köper passende Ausführung finden kann. Ich freue mich immer riesig, wenn ich in einer Klasse 10 Frauen vor mir habe und jede einzelne Vorbeuge komplett anders aussieht. Da wird mit Bolstern unterstützt oder mit Blöcken. Da werden Decken unter Knie gerollt oder unter die Fersen. Da wird manchmal gar kein Hilfsmittel eingesetzt und manchmal der halbe Schrank geleert. Manchmal biete ich Hilfsmittel an, weil es von Außen betrachtet nicht entspannt aussieht aber die Teilnehmerin fühlt sich trotzdem total wohl. Manchmal werden diese genutzt und mit Erstaunen festgestellt, wieviel tiefer die Entspannung werden kann. Genau das ist es was Yoga für mich ausmacht. Wenn wir verstanden haben wie unser Körper funktioniert, können wir ihn auch entsprechend unterstützen. Wenn wir aufmerksam unseren Körper und unseren Atem beobachten, können wir herausfinden, wo wir Unterstützung brauchen oder wo der Körper von ganz alleine loslassen kann. Das lernen wir in keinem YouTube-Video dieser Welt, dass müssen wir erfahren.


Gerade zu Beginn der Yogareise ist es wichtig, wenn eine erfahrene Lehrerin Dich begleitet und beobachtet, was Deinen Körper unterstützen könnte. Wo und ob überhaupt es sinnvoll ist Muskulatur aufzubauen und wo es hilfreich ist erst mal Entspannung und damit oft auch Schmerzlinderung zu etablieren.


Es ist einfacher und sicher auch billiger mit YouTube und co zu üben aber es ist eben auch gefährlicher, gerade dann wenn Beschwerden vorhanden sind. Yoga in der Gruppe live vor Ort oder im 1:1 mit einer erfahreren Lehrerin, die nicht nur anleitet sondern auch individuell auf Beschwerden eingehen kann, ist soviel sinnvoller und gleichzeitig auch hilfreicher.

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